Der technologische Wandel wird die Mobilitätswende dauerhaft begleiten. Wir müssen lernen, uns immer wieder neu anzupassen
Viel wird derzeit über Richard Branson und Jeff Bezos geschrieben. Nicht, weil Sie zwei Weltkonzerne führen, sondern weil sie innerhalb von 10 Tagen beide im All waren. Und weil sie dafür Milliarden investiert haben, ohne dass ein unmittelbarer Nutzen für die breite Masse der Bevölkerung ersichtlich wird. Zu Recht wird diskutiert, ob die ökologische Bilanz einer solchen Weltraumreise in der heutigen Zeit überhaupt vertretbar ist oder ob es hierbei rein um die Verwirklichung von Kindheitsträumen zweier wohlhabender Menschen geht. Dennoch müssen wir uns auch die Frage stellen: Können wir zum aktuellen Zeitpunkt bereits bewerten, ob ein späterer Nutzen eintreten wird oder nicht?
Das Potenzial neuer Technologien ist vielfach nicht sofort abschätzbar
Die vermutlich allgegenwärtigste Innovation, an deren Durchbruch bei ihrer ersten Erwähnung niemand glaubte, ist das Mobiltelefon. In den 60er Jahren benutzte Captain Kirk einen kabellosen Kommunikator in einer Folge von „Raumschiff Enterprise“, um Hilfe zu rufen. Martin Cooper entwickelte auf dieser Basis 1973 das Motorola DynaTAC, das mit einem Gewicht von 1 Kilogramm und einer Sprechzeit von 35 Minuten zwar noch nicht massentauglich war, unsere Welt jedoch nachhaltig verändern sollte. Viele Services, die wir heute als selbstverständlich erachten, wären ohne Handys überhaupt nicht möglich, so zum Beispiel schnelle Buchungen oder Bestellungen von unterwegs, die Steuerung zahlreicher Smart Home Geräte und einiges mehr. Gleichzeitig sind ganze Geschäftszweige obsolet geworden. So gab es in Deutschland vor 30 Jahren noch über 120.000 öffentliche Telefonzellen, heute sind es weniger als 16.000 – und auch die werden vorwiegend zur Erfüllung der „Grundversorgung mit öffentlichen Telefonen“ gemäß Telekommunikationsgesetz (TKG) betrieben und nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Es ist denkbar, dass Autos in Zukunft eine Lösung anstatt eines Problems darstellen
Eine Technologie, die unsere Mobilität in Zukunft absehbar verändern wird, sind autonome Autos. Bereits 1982 wurde im Film „Knight Rider“ das selbstfahrende Auto vorgeführt – lange bevor GoogleX die Technologie aufgegriffen und sich zum Ziel gesetzt hat, die Automobilität grundlegend zu revolutionieren. Reisezeit könnte zukünftig auch im Auto produktiv genutzt werden, Staus und Unfälle würden – so zumindest die weitläufige Meinung der Statistikexperten – größtenteils vermieden werden. Dadurch würde voraussichtlich eine solch fundamentale Veränderung den Mobilitätsmarkt erreichen, dass auch Zielbilder neu zu definieren wären. Kombiniert mit alternativen Antrieben könnte das Automobil die Vorteile der Individualität und Flexibilität mit den Ansprüchen eines ökologisch vertretbaren Fußabdrucks verbinden. Heute vielfach gesehene Nachteile des Automobils gegenüber anderen Verkehrsmitteln schwinden dadurch und machen womöglich fieberhaft aufgebaute Alternativen obsolet. Außer es gibt darüber hinaus weitere Technologiewandel wie eine ökologisch vertretbare Flugdrohne für den Passagiertransport, mit der Strecken anstelle mit dem Auto auf dem Boden auch in der Luft zurückgelegt werden können. Dann könnte unter anderem aufgrund der geringen Flächenbeanspruchung ein solches Verkehrsmittel eine Alternative zum autonomen Auto darstellen. Und vielleicht entwickelt sich aus dem Weltraumflug der Herren Branson und Bezos irgendeine Technologie, die wiederum das Präferenzset in der Verkehrsmittelwahl verändert. Dann werden wir wieder neu nachdenken müssen und die etablierten Strukturen unserer Mobilität erneut überdenken. Solange wir uns durch die Welt bewegen, wird diese Transformation nicht beendet sein.
Die Fähigkeit zur Anpassung entscheidet wesentlich über Lebensqualität und Wettbewerbsattraktivität
Allerdings wird die Fähigkeit zur Anpassung an neue Gegebenheiten in der Mobilität wesentlich über Lebensqualität und Wettbewerbsattraktivität einer Region entscheiden. Das sollte uns allen – und vor allem den wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsträgern – Ansporn und Verpflichtung sein, Erfindungen und technologische Entwicklungen wachsam zu beobachten und aktiv zu unterstützen, um das Veränderungspotenzial frühzeitig zu erkennen und das Mobilitätszielbild stetig weiter zu schärfen.
______________
Über den Autor:
Claus Grunow ist Vorstandsmitglied von Mobility Allstars e.V. sowie Strategie- und Digitalchef der Fraport AG. Die Leidenschaft, Geschäftsmodelle zu transformieren und neue, nutzerzentrierte Mobilitätsangebote zu gestalten, ist sein Motor.